Wasserkraft und ökologische Verantwortung
In den vergangenen Jahrhunderten dienten Verbauungen und Begradigungen entlang der großen Gewässer in erster Linie dem Hochwasserschutz, zur Gewinnung von Land oder um die Schifffahrt zu ermöglichen. Erst seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts begannen die Menschen, die Kraft des Wassers zur Energiegewinnung nutzbar zu machen. Dazu griffen sie in die Flusslandschaften ein und stauten Gewässer auf. Durch diese Eingriffe wurden das Landschaftsbild und auch die Lebensraumbedingungen für die Tier- und Pflanzenwelt in den betroffenen Ökosystemen verändert.
Öffentliche Interessen sind vielfältig
Nicht nur die Umwelt, sondern auch die Politik und das Regelwerk verändern sich stetig: Europa bekennt sich zum Klimaschutz, zum Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) und zum Umweltschutz. Wir alle wollen jedoch auch eine sichere Stromversorgung rund um die Uhr. Um allen Zielen gerecht zu werden, sind Politik und Behörden immer wieder in der Abwägung unterschiedlicher öffentlicher Interessen gefordert. Dabei wägen sie den Schaden und Nutzen bei Eingriffen in die Natur ab, die sich aus jeder menschlichen Aktivität ergeben. Auch der Betrieb und Bau von Wasserkraftanlagen ist hier keine Ausnahme – selbstverständlich ist ein Wasserkraftwerk ein Eingriff in die Natur. Der zahlreiche Nutzen zeigt sich in der Erzeugung von erneuerbarem Strom, in der regionalen Wertschöpfung, in der Nutzung von Speicherseen für touristische Zwecke oder in der Schiffbarmachung von großen Flüssen durch Schleusen an Kraftwerken. Diese vielfältigen Nutzen stellt die Wasserkraft für Jahrzehnte zur Verfügung, ein Wasserkraftwerk kann für ca. 100 Jahre und darüber hinaus betrieben werden.
Umweltgesetze geben den Rahmen vor
Um Eingriffe in die Natur zu minimieren, werden sowohl der laufende Betrieb von Bestandsanlagen als auch die Entwicklung von neuen Wasserkraftwerken streng geprüft. Während die Umweltverträglichkeitsprüfung das „Pflichtenheft“ für neue Kraftwerke darstellt, sind die Auflagen aus Umweltgesetzen wie zum Beispiel der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) auch von Bestandsanlagen zu erfüllen. Die WRRL hat zum Ziel, dass bis spätestens 2027 alle Oberflächengewässer einen mindestens „guten Zustand“ (Ziel für natürliche Gewässer) oder ein „gutes Potenzial“ (Ziel für erheblich veränderte und künstliche Gewässer) erreichen müssen. Die schrittweise Zielerreichung erfolgt mittels der im Sechsjahreszyklus überarbeiteten Bewirtschaftungsplänen aller EU-Mitgliedsstaaten. In diesen Plänen werden die Maßnahmen für alle Nutzer von Gewässern festgelegt, so auch für die Wasserkraft.
Für die Bewilligung der Errichtung eines neuen Wasserkraftwerks muss das Projekt – je nach Kraftwerksgröße – entweder ein UVP-Verfahren oder Bewilligungsverfahren durchlaufen, die in den einzelnen EU-Staaten unterschiedlich ablaufen. In jedem Fall wird jedes neue Projekt auch hinsichtlich seiner möglichen Umweltauswirkungen geprüft und es werden zusätzliche Maßnahmen für den Betrieb der Anlage vorgeschrieben, durch die mögliche negative Umweltauswirkungen vermieden, reduziert oder ausgeglichen werden. Die Kosten für alle Maßnahmen trägt das Wasserkraftunternehmen – zu diesen Maßnahmen zählen zum Beispiel ein ökologischer Mindestabfluss im Gewässer, die Abminderung von Auswirkungen von Schwall und Sunk, die Herstellung der Durchgängigkeit im Fluss für Lebewesen sowie ein Geschiebe- und Sedimentmanagement. Manche dieser Maßnahmen sind punktuell, wie zum Beispiel die Errichtung einer Fischwanderhilfe, andere sind großflächig, wie zum Beispiel die Renaturierung von Altarmen und die Schaffung neuer Ökosysteme.
Über die Pflicht hinaus
Auch über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus unternehmen Mitglieder der AGAW Anstrengungen und Investitionen, um den Betrieb ihrer Anlagen in Einklang mit den umliegenden Ökosystemen zu bringen und diese „zukunftsfit“ zu machen. Wir setzen uns in Forschungsprojekten gemeinsam mit der Wissenschaft mit Zukunftsfragen auseinander, wir stehen in offenen Dialogen mit der Zivilgesellschaft und wir gestalten Ökosysteme im Nahbereich der Kraftwerke, um die umgebende Fauna und Flora zu schützen und aufzuwerten.
Bild: Neue Au für die Traisen, Österreich (© VERBUND)